Fakultätsübergreifender Masterschwerpunkt „Spatial Strategies“
TH Köln | Recherche- und Entwurfsprojekt | Winter 2023

Terrains vagues – How to Activate Immanent Potentials
of Urban Spaces

Im Rahmen des fakultätsübergreifenden Masterschwerpunktes „Raumstrategien“ fand das Recherche- und Entwurfsprojekt »Terrains vagues« statt. Studierende der Masterstudiengänge Integrated Design Research und Architektur widmeten sich dem unbestimmten, versprengten und vielgestaltigen Feld der Brachen.

Unter den Begriff der Brache fallen „Trümmerlandschaften, Stadtbrachen und Ruderalflächen, die verlassenen Gelände, die Wastelands und Brownfields, die unzugänglichen felsigen Hänge, die kontaminierten Gebiete, terrains vagues und fragmentierten Flecken, der Wildwuchs um Poller und die Verwüstungen des Kapitalozäns“ (ilinx 2024). Das Projekt fragt nach den ökonomischen, ökologischen und politischen Konflikten und Brüchen, die mit Brachen und Brachlandschaften einhergehen, nach ihren Folgen für betroffene Akteur:innen, aber auch nach ihren Potenzialen für die Gestaltung künftiger Lebenswelten.

„Terrains vagues“ – das sind die verlassenen, undefinierten, leeren, oft vergessenen Räume der Stadt, die sich in einem vorübergehenden Zustand des Nicht-Mehr und Noch-Nicht befinden. Während sie traditionell als Schandflecke im Stadtbild, als Zeichen sozialer Missstände und als Gegenorte zur städtischen Ordnung gelten, werden sie im Projekt als Möglichkeitsräume für eine neue Urbanität in fragmentierten Städten verstanden. „Terrains vagues“ sind verschwindende Räume, die von einer vergangenen Welt erzählen. Sie hinterlassen Leerstellen in sozialen, symbolischen und topografischen Kontexten sowie architektonische Artefakte, die individuelle und kollektive Erinnerungen und Vorstellungen hervorrufen. Zugleich sind sie Orte der ständigen Neuverhandlung und damit des Widerstands und der Transformation.

Die Teilnehmer:innen erforschten den Raumtypus der Brache am Beispiel des Deutzer Hafens in Köln durch Fotografie, Kartierung, Notation, Audiowalks und Installationen, um sein ungenutztes Potenzial wieder zu beleben und neue urbane und kulturelle Erwartungen an sie zu formulieren. Sie analysierten ihre materiellen Relikte, die als Zeugnisse vergangener Nutzungen in Erscheinung treten, und rekonstruierten die verschiedenen Zeitschichten, die sich in ihnen abgelagert haben. Ziel war ein behutsamer Umgang mit dem Vorhandenen in materieller, städtebaulicher und sozialer Hinsicht. Das Projekt fragt nach neuen Entwurfs- und Raumstrategien, um den Ressourcenverbrauch zu reduzieren sowie das Bestehende zu erhalten und zu reparieren. Was wäre, wenn nicht nur das anerkannte architektonische Erbe in die Neugestaltung städtischer Räume als touristische Attraktionen einbezogen würde, sondern auch viele alltägliche Objekte, Strukturen und Elemente wiederverwendet und neu angeeignet würden?

Mit Hilfe eines Archivs wurden die vorgefundenen Materialien inventarisiert, räumliche und soziale Zusammenhänge aufgedeckt und zentrale Akteur:innen und ihre Beziehungen erfasst. Materialien und Netzwerke werden für die Entwicklung der Stadt zugänglich gemacht und geben Impulse für eigene räumliche Ideen. Auf diese Weise wird ein Prozess der Wissensaneignung in Gang gesetzt, der Elemente der lokalen Geschichte, Topographie und Ökologie mit sozialem Insiderwissen über Räume und Nachbarschaften sowie politischen Diskussionen und zivilgesellschaftlichen Debatten verbindet. Auf der Grundlage dieses urbanen Wissens sollen Kompetenz und Verantwortung für die nachhaltige Entwicklung neuer Kulturräume und die solidarische Nutzung gemeinsamer Ressourcen aufgebaut werden.

Das Projekt wurde von der Forschungsstelle „Echtzeitstadt“ der TH Köln begleitet und im Rahmen des Kooperations-projekts „Open Universities – Stadt der partizipativen Visionen“ von der RheinEnergie Stiftung unterstützt.

Teilnehmer:innen: Amer Soud, Anabel Klefisch, Dana Leonie Schwettmann, Darío Morazán, David Sieverding, Emilie Bendsen, Felix Nebelin, Gamze Kaya, Greta Krappen, Ines Werker, Jan Reimer, Jasmin Moira Sabine Dockhorn, Julia Ignalewski, Jutta Strauß, Kinza Beneich, Lina Kasper, Lisa Gerdiken, Lukas Nicolini, Marie-Elén Wehder, Martin Sistig, Nina Juncker, Sander Eide, Sara Christin Maia Sonnek, Shucen Liu, Siyuan Han, Sophia Salim, Cécile Torn, Yvonne Lober

Leitung: Prof. Dr. Carolin Höfler (KISD), Prof. Dr. Michel Müller & Johanna Terhechte (Architektur)

Fotos: Martin Sistig

Literatur: ilinx – Berliner Beiträge zur Kulturwissenschaft 5: Brachen, hg. v. Katja Kynast, Birgit Lettmann, Stephan Zandt, Leipzig: Spector Books 2024.