IMD _TU Braunschweig | Heimspiel

Kaum eine Architektursparte hat in den vergangenen zwanzig Jahren eine solche Aufwertung erfahren wie das Stadion. Anfang der neunziger Jahre entwickelte es sich vom gemeinen Funktionalbau zum leuchtenden Stadtwahrzeichen. Dabei schien die perfekte Aufbereitung der Spiele im Fernsehen oder auf Großleinwänden, mit der Möglichkeit, die Spielszenen in Zeitlupe und aus verschiedenen Perspektiven zu sehen, eine echte Konkurrenz zum originalen Fußballerlebnis darzustellen. Aber die Mediatisierung hat den Reiz des Originals nicht zerstört. Heute gehen mehr Menschen ins Stadion als je zuvor. Das physisch vor Ort Erlebbare wird durch die virtuelle Präsenz von Medienereignissen nicht verdrängt. Die Entwicklung der Tribünen vom antiken Hang über die Kampfbahn zum ausladenden Parkstadion ist auf einem vorläufigen Höhepunkt angekommen: Im Zeitalter der neuen Arenen sind die Zuschauer so dicht wie nie zuvor ans Fußballereignis herangerückt. Hinter den Fassaden der hochtechnisierten Bauten von Herzog & de Meuron, Renzo Piano oder Norman Foster verspricht das Spiel im Hexenkessel der Arenen ein Erlebnis der besonderen Art. Denn die neuen Arenen sind ein Reflex auf die Weiterentwicklung des Fußballs: Während das weite, offene Parkstadion der 1970er Jahre dem damaligen Spiel in die Tiefe des Raumes entsprach, tragen die neuen, von der Außenwelt entkoppelten Multifunktionsarenen dem immer dichter geknüpften Netz des heutigen Kurzpassspiels Rechnung und nehmen den Besucher in engen Umhüllungen 90 Minuten lang gefangen.

Das Projekt Heimspiel widmet sich dem Stadionbau im Zeitalter der Mediatisierung und untersucht die Rolle der Architektur als Teil der Spielhandlung und des Medienereignisses – als „Horizontal Screen“. Im Entwurf eines neuen Eintracht Braunschweig-Stadions wird das Verhältnis zwischen der Architektur des Spielens und des Zuschauens, zwischen dem real-physischen und medial vermittelten Raum in das Zentrum der Gestaltung gerückt und der Blick auf die bildlichen und architektonischen Mittel gelenkt, mit denen die imaginären und realen Räume konstruiert und zueinander in Beziehung gesetzt werden können. Die Stadionentwürfe bauen auf performativen und raumchoreografischen Konzepten auf, die darauf bedacht sind, Blick und Bewegung des Betrachters zu lenken. Dabei bestimmen Aufsicht und Untersicht, Spielplatz und Dachkonstruktion, die Wahrnehmung des Zuschauers. Aus dem Studium von typischen Spielzügen, ritualisierten Publikumsdarbietungen sowie natürlichen und technischen Konstruktionen ergeben sich spezifische Muster, die in Kombination mit dem Oval der Spielarena den Charakter der Dachstruktur definiert.

Das Projekt entsteht in Kooperation mit dem Institut für Stahlbau, TU Braunschweig. Als Entwurfs- und Materialisierungsmedien werden eine 2D-Laserschneidemaschine eingesetzt.

Projektleitung: Carolin Höfler

Entwurfsfilm: Moritz Mombour