Carolin Höfler: „Doppelte Monster, infizierte Körper. William Bateson, D'Arcy Thompson und die computerbasierte Architektur“, in: Horst Bredekamp, Matthias Bruhn, Gabriele Werner (Hrsg.): Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik. Band 9.2: Morphologien. Berlin: Akademie 2013, S. 7–17.

Es gehört zu den erfolgreichen Bekämpfungsstrategien von Architektur-Essentialisten und Verfechtern einer überzeitlich lesbaren Tektonik, digitale Formen, die sich den herrschenden Sehgewohnheiten widersetzen, zu ent-architektonisieren und zu ent-historisieren, um ihnen dann unverzüglich jede Legitimation abzusprechen. Dabei wird übersehen, dass die Architektur selbst den Schlüssel für die digitale Formverzerrung bereitstellt. So gibt es keine Verformung ohne einen Bezug auf die moderne Box und ihr gleichmäßiges Raster, keine Verschmelzung ohne Verweis auf die fragmentierten Formen der dekonstruktivistischen Architektur der 1980er Jahre. Für Peter Eisenman, Greg Lynn und andere Protagonisten des computerbasierten Entwerfens sind die digital erzeugten Bauten und Projekte immer auch Transformationen der Architektur der Moderne, die nach wie vor als Basis und Prüfstein gilt.
In diesem Prozess zwischen Fortführung und Aufhebung der Moderne operieren Architekten und Theoretiker bevorzugt mit Naturanalogien, wobei es weniger um äußerliche Ähnlichkeiten als vielmehr um innere Korrespondenzen zwischen natürlicher und architektonischer Formentstehung geht. So hat sich in den 1990er Jahren vor allem der amerikanische Architekt und Autor Greg Lynn mit den durch das Medium des Computers veränderten Bedingungen und Möglichkeiten für die architektonische Formfindung befasst und seine dort gewonnenen Erkenntnisse vor dem Hintergrund einer biologisch verstandenen „Morphologie“ gespiegelt. Dabei gewannen jene Erklärungsansätze an Bedeutung, die sich gegen Optimierungsideen wandten und Gestaltvariationen anders als durch ihre Abweichung von der Norm definierten, wohingegen typologische Konzepte von ‚Ideen‘ oder festen ‚Bauplänen‘ der Natur bewusst ausgeblendet wurden. [mehr]

Carolin Höfler: „Doppelte Monster, infizierte Körper. William Bateson, D'Arcy Thompson und die computerbasierte Architektur“, in: Horst Bredekamp, Matthias Bruhn, Gabriele Werner (Hrsg.): Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik. Band 9.2: Morphologien. Berlin: Akademie 2013, S. 7–17.

Es gehört zu den erfolgreichen Bekämpfungsstrategien von Architektur-Essentialisten und Verfechtern einer überzeitlich lesbaren Tektonik, digitale Formen, die sich den herrschenden Sehgewohnheiten widersetzen, zu ent-architektonisieren und zu ent-historisieren, um ihnen dann unverzüglich jede Legitimation abzusprechen. Dabei wird übersehen, dass die Architektur selbst den Schlüssel für die digitale Formverzerrung bereitstellt. So gibt es keine Verformung ohne einen Bezug auf die moderne Box und ihr gleichmäßiges Raster, keine Verschmelzung ohne Verweis auf die fragmentierten Formen der dekonstruktivistischen Architektur der 1980er Jahre. Für Peter Eisenman, Greg Lynn und andere Protagonisten des computerbasierten Entwerfens sind die digital erzeugten Bauten und Projekte immer auch Transformationen der Architektur der Moderne, die nach wie vor als Basis und Prüfstein gilt.
In diesem Prozess zwischen Fortführung und Aufhebung der Moderne operieren Architekten und Theoretiker bevorzugt mit Naturanalogien, wobei es weniger um äußerliche Ähnlichkeiten als vielmehr um innere Korrespondenzen zwischen natürlicher und architektonischer Formentstehung geht. So hat sich in den 1990er Jahren vor allem der amerikanische Architekt und Autor Greg Lynn mit den durch das Medium des Computers veränderten Bedingungen und Möglichkeiten für die architektonische Formfindung befasst und seine dort gewonnenen Erkenntnisse vor dem Hintergrund einer biologisch verstandenen „Morphologie“ gespiegelt. Dabei gewannen jene Erklärungsansätze an Bedeutung, die sich gegen Optimierungsideen wandten und Gestaltvariationen anders als durch ihre Abweichung von der Norm definierten, wohingegen typologische Konzepte von ‚Ideen‘ oder festen ‚Bauplänen‘ der Natur bewusst ausgeblendet wurden. [mehr]