IMD _TU Braunschweig | VL Mediengeschichte der Architektur 1

Die Digitalisierung hat die Architektur umfassend geprägt und verwandelt. Dabei äußert sich das Digitale nicht nur in der Beschleunigung der Entwurfsplanung oder in der Verbesserung der Bauorganisation, sondern vor allem in grundlegenden Veränderungen der entwurflichen Konzeption, der materiellen Produktion und kulturellen Rezeption von Architektur. Mit der Betrachtung der Architekturgeschichte als Medien- und Wahrnehmungsgeschichte wird deutlich, dass gegenwärtige Raumkonzepte und Gestaltungsweisen auf zahlreichen, oft widersprüchlichen Vorbildern aus dem 20. Jahrhundert aufbauen, die aktuell durch den Computer synthetisiert werden.

Diese Zusammenhänge, in denen sich die Digitalisierung der Architektur vollzieht, aufzudecken und zu hinterfragen, ist das Anliegen der einjährigen Vorlesungsreihe. Ihr inhaltlicher Schwerpunkt liegt im ersten Semester auf der Analyse der technischen Bildmedien im 19. und 20. Jahrhundert, im zweiten Semester auf der Erkundung der computerbasierten Verfahren im 20. und 21. Jahrhundert.

Medien sind in komplexerer Weise in der Architektur eingebunden, als nur deren instrumentelle Vehikel zu sein. Sie bedingen die Formen des Wissens der Architektur. Was die technischen und elektronischen Medien verändert haben, ist keineswegs nur die Darstellung von Raum, sondern viel grundsätzlicher die Art, wie Raum wahrgenommen, gedacht und entworfen wird. Analoge und digitale Entwurfsmedien führen nicht nur zu unterschiedlichen Darstellungen von Raum, sondern zu grundlegend anderen Raumvorstellungen und Raumerscheinungen. Die dem Entwerfen zugrunde liegenden Techniken und Medien sind keine dem Entwurfsprozess äußerlichen „Mittel“ oder „Werkzeuge“ der Architektur. Es gibt keine Trennung zwischen entwerferischer Tätigkeit und ihren Medien. Techniken und Entwerfen begründen sich in der Architektur wechselseitig und definieren sich deshalb auch jeweils neu. Die im Entwurfsprozess eingesetzten Medien und Verfahren sind eigenständig, sie beeinflussen den Entwurf radikal oder noch genauer: sie bringen den Entwurf erst hervor.

Der Raumbegriff, wie er bisher in der Architekturtheorie verhandelt wurde, kann in einem intermedialen Kontext neu erschlossen werden. Damit gelingt es, kultur- und naturwissenschaftliche Erkenntnisse verstärkt zu berücksichtigen und ein besseres Verständnis für den Entwurfsprozess zu gewinnen. Dieser Ansatz basiert auf der Annahme, dass durch einen disziplinübergreifenden Austausch von Begriffen Konzepte und Wirkungen benannt werden können, die in der Untersuchung von Architektur nicht hinreichend erfasst sind. Der Blick aus der Perspektive der wissenschaftlichen Notation, der Fotografie oder Filmgestaltung eröffnet neue Betrachtungsmöglichkeiten der Architektur und bricht mit konventionellen Wahrnehmungsformen.

Termin _donnerstags, 09.45 Uhr

• 29.10.2009 _Einführung: Produktion Reproduktion
• 12.11.2009 _Notation als Aufzeichnung und Vorzeichnung
• 26.11.2009 _Fotografische Raumkonstruktionen
• 10.12.2009 _Der filmische Blick auf den Raum
• 07.01.2010 _Experimentelle Medienräume

Ort _TU-Altgebäude, Hörsaal PK 4.7